Mädchen und Streiche machen? Was soll dabei herauskommen? Zu so etwas taugen die doch nicht! Das war jedenfalls die Ansicht vom etwa gleichaltrigen Horsti. Darum weihte er auch mich nie ein, wenn er etwas ausheckte. Das tat er ziemlich oft und war stolz darauf. „Männer müssen was riskieren!“ drückte Horsti es aus. „Was Du nicht sagst!“ meinte ich zu ihm schnippisch. „Und was müssen wir?“ fragte ich ihn. „Häkeln und Putzen“ erwiderte Horst grinsend. Er spielte damit auf mein Häkelfieber an, das mich seit Wochen erfasst hatte, nachdem ich in Handarbeiten tunesisch häkeln gelernt hatte. Die anderen Jungens lachten. Ich ärgerte mich darüber sehr. Warum machten Horsti und die anderen darüber lustig? Wir Mädchen lachten ja auch nicht, wenn die Jungs mit ihren selbst geschnitzten Dingen ankamen, und ganz stolz von Hobeln oder Schnitzen erzählten. Jungs sind doof, musste ich einmal mehr in meinem Herzen feststellen. Laut sagte ich, als ich meinem Klassenkameradinnen auf dem Schulhof zusammenstanden. „Das ist einfach nicht auszuhalten, wie eingebildet die sind. Wir müssen mal 18 was machen, wo den Jungs die Luft wegbleibt!“ Die anderen waren sofort hell begeistert. Drei Tage lang steckten wir Mädchen unsre Köpfe zusammen und tuschelten und kicherten. Am Nachmittag hielten die Jungs vergeblich nach uns Mädchen Ausschau. „Ihr habt natürlich wieder zu Hause gekocht und gehäkelt“ spotteten die Buben am nächsten Morgen in der Schule. „Genau“ sagte ich und alle Mädchen fingen zu kichern an. „Also – Morgen um halb acht auf dem oberen Korridor!“ sagte ich, als wir uns trennten. „Ich bringe einen Einkaufskorb mit. Du – Lore – stehst Posten an der Treppe, bis ich fertig bin. Wenn die anderen kommen, müssen wir verschwunden sein! Helga bekam Angst. „Und wenn sie herausbekommen, wer es war?“ „Dann gibt es ganz schön eine auf das Dach!“ sagte ich. Helga fing zu weinen an. „Sie kriegen das nicht raus!“ versicherte ich ihr. „Und selbst wenn – wir wollen beweisen, das Mädchen auch bereit sind, was zu riskieren!“ – „Aber Du warst eben nicht dabei, okay?!“ Der nächste Tag kam und begann wie jeder mit einer kleinen Morgenfeier in der Aula. Die Aula war im obersten Stockwerk der Schule, und auf dem Vorplatz neben der breiten Flügeltür stand eine Statue von Jesus, nach dem die Schule auch benannt war: Jesus Christus Schule. Alle die zur Morgenfeier in die Aula gingen, mussten an diesem Standbild vorbei. Gewöhnlich blickten sie gar nicht mehr dorthin. Aber an diesem Morgen blickten sie gruppenweise diese Statue an, und ihr Gelächter hallte über den ganzen Vorplatz. Er war aber auch wirklich sehenswert, der große Jesus! Auf seinem Kopf trug er eine himmelblaue Pudelmütze mit einer lang herunterbaumelten Quaste. Ein hellblauer Schal war liebevoll um seinen Hals geschlungen und seine ausgestreckte Hand steckte in einem warmen Fausthandschuh. An dieser Hand hing ein Einkaufskorb, an dem ein Zettel angeheftet war: „Um Spenden bittet Jesus Christus für die Schule“ Als die Kinder endlich auf ihren Plätzen saßen, summte es in der Aula wie in einem Bienenstock. Alle lachten, sogar die älteren Schüler beiderlei Geschlechts ließen sich herbei, mit zulachen und mitzureden, wer das angestellt haben konnte. Erst als der Lehrer hereinkam, wurde es still. Alle machten gespannte Gesichter. Meine Freundinnen und ich wagten kaum hochzugucken. Es war uns ziemlich bange zumute. Wir hatten ja auch einmal einen Streich machen wollen, aber dass es soviel Aufregung geben würde, hatten wir nicht gedacht. Der Lehrer war erst zehn 19 Minuten nach acht Uhr hereingekommen; so lange hatte er offenbar den verzierten – oder verunzierten – Jesus angesehen. Ich konnte nur hoffen, dass nicht die Schuldigen entlarven würde. Ich hatte Herzklopfen, als der Lehrer das Podium betrat. Ich hielt meinen Atem an, als er auch noch direkt zu mir sah. Ziemlich lange sogar. Jetzt passiert es, dacht ich mir. Jetzt erleben wir unser blaues Wunder. Und wir erlebten es wirklich. „Ihr habt natürlich alle unseren warm angezogenen Jesus da draußen gesehen“, begann der Lehrer. „Und ich muss euch ehrlich gestehen, dass ich mich herzlich gefreut habe. Ihr wisst ja, dass unsere Schule jedes Jahr eine Sammlung von warmen Sachen veranstaltet, die an bedürftige Kinder verteilt werden. Ich wollte euch heute daran erinnern und bitten, rechtzeitig zum Sammeln anzufangen. Aber ein paar von euch haben noch eher daran gedacht als ich. „Nein!“ flüsterte ich entsetzt. Nein, nein, nein, das ist doch nicht zum Aushalten. Da sprach der Lehrer auch noch weiter: „Ich möchte also denen danken, die den Einfall hatten. Ich schlage vor, ihr steht auf und die anderen dürfen euch Beifall klatschen.“ Wir saßen wie festgeklebt auf unseren Plätzen. „Nun, Elfriede, steh doch auf! Du warst das doch, nicht wahr? Die Sachen sind tunesisch gehäkelt.“ „Aber“ stammelte ich, während ich mit rotem Gesicht aufstand. „Das ist doch – ich wollte doch gar nicht“ Meine Erklärungsversuche gingen in dem lauten Beifallklatschen unter. Mein Streich war geplatzt wie eine Seifenblase.
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